Wie sich TTIP auf Frankfurt auswirkt

Von Oliver Strank

Das Freihandelsabkommen wird auch das kommunale Recht verändern. Demokratisch legitimierte Verbesserungen für das Gemeinwohl wie die Mietpreisbremse könnten durch TTIP wieder ausgehebelt werden. Der Gastbeitrag.

Die Freihandelsabkommen TTIP, Ceta und Tisa sind zwar internationale Abkommen. Doch sie würden sich auf allen politischen Ebenen auswirken. Vom Bund über die Länder bis hinunter zu den Kommunen. Wie so oft kann internationale Politik gerade für die Bürger auf kommunaler Ebene spürbar werden. Was Frankfurt drohen könnte, diskutiert Oberbürgermeister Peter Feldmann daher mit Bürgern am Donnerstagabend im Club Voltaire.

Da wäre zunächst die kommunale Daseinsvorsorge. Sie hat eine zentrale Bedeutung für das Gemeinwohl, stellt sie doch Dienstleistungen bereit und übernimmt öffentliche Aufgaben des Staates, die für ein funktionierendes Gemeinwesen und für die soziale und materielle Teilhabe seiner Bürger von existenzieller Bedeutung sind. Werden diese öffentlichen Aufgaben privatisiert, dient dies nicht mehr dem Gemeinwohl, sondern privaten Gewinninteressen.

Meist wurden in der Vergangenheit die Leistungen durch Privatisierungen teurer und schlechter. Arbeitsplätze gingen verloren und an der Infrastruktur sowie der Sicherheit der Bürger wurde gespart. Immer mehr Kommunen haben deshalb seit der Finanzkrise versucht, diesen teuren Irrweg der Privatisierung durch Rekommunalisierungen wieder rückgängig zu machen, indem sie ihre Unternehmen wieder zurück gekauft haben.

Genau diese demokratisch legitimierten Verbesserungen für das Gemeinwohl könnten nun durch TTIP, Ceta und Tisa ausgehebelt werden, weil sie die öffentliche Daseinsvorsorge möglichst weitgehend privatisieren sollen. Vom Gesundheitswesen über den Verkehr, die Energieversorgung und Telekommunikation bis hin zur Bildung. Das wird zu Recht von vielen Bürgerinitiativen kritisiert. Die EU-Kommission behauptet zwar, es gebe Sicherheitsgarantien für die kommunale Daseinsvorsorge. Doch ein Blick in die Ceta-Vertragstexte, die gemeinhin als Blaupause für TTIP gelten, enthüllt zahlreiche Schlupflöcher, die die kommunale Daseinsvorsorge auch in Hessen unter Druck setzen können.

Zahlreiche Schlupflöcher in den Verträgen

Anders als noch in älteren Handelsabkommen wird außerdem in TTIP und Ceta statt einer Positivliste der liberalisierungsfreundliche Negativlisten-Ansatz verfolgt. Im Grundsatz wird dort alles an kommunalen Dienstleistungen liberalisiert, es sei denn, es ist ausdrücklich auf der Negativliste von einer Liberalisierung ausgenommen. Das ist mühsam und unübersichtlich, entspricht aber dem Geist von TTIP, weil es im Zweifel zu einer Liberalisierung führen soll. Ein genauerer Blick in die Vertragsdokumente von Ceta zeigt außerdem, dass dort die Liberalisierungen der öffentlichen Daseinsvorsorge auch für die Zukunft festgeschrieben werden.

Stillstandsklausel frieren dann die sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Standards auf dem aktuellen Stand ein, die anschließend nicht mehr erhöht werden können. Derartige Klauseln versperren auch für die Zukunft eine Re-Kommunalisierung. Solange TTIP und Ceta gelten, können Privatisierungen nicht wieder rückgängig gemacht werden. Einmal privatisiert, für immer privatisiert. Und dies, obwohl viele Kommunen nach ihren verheerenden Erfahrungen mit der Privatisierung bereits seit Jahrzehnten in vielen Bereichen die Daseinsvorsorge mühsam wieder re-kommunalisiert haben.

Gefahr für die Mietpreisbremse und Milieuschutz

Auch Klagerechte von privaten Investoren vor Schiedsgerichten könnten in den Kommunen Folgen für das Gemeinwesen haben. Eines von vielen denkbaren Beispielen ist die Mietpreisbremse. Der Bundestag hat sie beschlossen und die Länder haben sie zum Teil umgesetzt. So hat das Land Hessen im November fast alle Frankfurter Stadtteile als Gebiete mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ ausgewiesen, in denen bei einem Mieterwechsel die neue Wohnungsmiete nur maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegen darf. US-amerikanische oder kanadische Finanzinvestoren wie Blackrock oder Sun Life sind an den großen Immobilienunternehmen Deutsche Annington oder Gagfah beteiligt. Weil ihr Geschäftsmodell ohne Mietsteigerungen und Umwandlungen kaum realisierbar ist, dürfte ihnen die Mietpreisbremse ein Dorn im Auge sein. Wäre TTIP bereits in Kraft, könnten sie daher auf entgangenen Gewinn durch die Mietpreisbremse klagen. Frankfurt würde für demokratisch legitimierte Maßnahmen für bezahlbaren Wohnraum und zum Schutz vor Verdrängung einen hohen Preis zahlen, der sich schwerlich beziffern lässt.

Ein weiteres Beispiel sind kommunale Milieuschutzsatzungen. Sie zielen darauf ab, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten und sie vor Verdrängung durch steigende Mietpreise zu schützen. Der Frankfurter Magistrat hat daher Stadtteile ausgewiesen, in denen durch Milieuschutzsatzungen mietsteigernde Maßnahmen wie der Rückbau, die Änderung und die Nutzungsänderung baulicher Anlagen einer besonderen Genehmigung bedürfen. Träten TTIP und CETA in Kraft, könnten US-amerikanische oder kanadische Immobilienunternehmen auf die Idee kommen, kommunale Milieuschutzsatzungen anzugreifen, indem sie auf entgangenen Gewinn klagen.

Auch über kommunalen Entscheidungsträgern, die in Zukunft über politische Maßnahmen zum Schutz des Gemeinwohls verhandeln, die die Gewinnerwartung von Investoren zu schmälern geeignet ist, würde in Zukunft das Damoklesschwert einer drohenden Milliardenklage schweben. In den Kommunen könnte man sich künftig zur Vermeidung von hohen Schiedsgerichtskosten entscheiden, zum Schutz vor Mieterverdrängung keine Milieuschutzsatzungen zu erlassen.

Oliver Strank ist Rechtsanwalt. Er war TTIP-Anzuhörender im Hessischen Landtag und ist SPD-Kandidat für das Stadtparlament in Frankfurt.   Mehr »

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